
Die Naturtalent-Lüge
Habt ihr schonmal die Floskel „du bist ja ein Naturtalent“ oder „tja, ich bin halt ein Naturtalent“ benutzt? Wenn ja, dann lasst es. Es gibt wahrscheinlich kein Label, das das eigene Mindset auf ein „Versagermindset“ trimmt, wie sich einzureden, ein Naturtalent zu sein. Gerade bei Kindern solltet ihr vorsichtig sein, denn gerade sie werden durch das Vorhandensein von angeblichem Talent ihre Einstellung ins Negative verändern. Doch wie komme ich dazu, das Wort „Naturtalent“ (oder sogar nur „Talent“) zu verteufeln? – Ich gebe offen zu: Es hat bei mir ein wenig gedauert, bis ich gemerkt habe, wie toxisch sich das Mindset eines „Talents“ einstellt.
Was hat das Mindset mit Talent zu tun?
Ein Talent ist in der Regel eine Sache, die einem von Natur aus leichtfällt. Man hat also durch die Gene eine Fähigkeit in die Wiege gelegt bekommen. Dazu gehören etwa schnelle Denkvorgänge oder auch das Zungerollen (was im Übrigen ein dominantes Gen ist. Sprich: Nix Besonders). Wenn ein Kind gut im Sport ist und von Anfang an gerne Sport treibt, neigt man als Eltern oder Verwandtschaft oft dazu, es als „Naturtalent“ zu bezeichnen. Das ist ein Fehler! Die Folgereaktion kann sein, dass das Kind sich automatisch für überlegen hält. Das wiederum führt dazu, dass es weniger trainiert, was wiederum dazu führt, dass es von Kindern, die trainieren, irgendwann überholt und zurückgelassen wird. Das Kind ist frustriert, weil es überrundet wurde und gibt den Sport schließlich auf.
Das mag im ersten Moment wie eine Geschichte klingen, die man nicht als Blaupause nutzen kann. Tatsächlich ist diese (oder eine ähnliche) Geschichte oft der Grund für Scheitern im Leben. Zum Glück kann man den falsch gedrückten Schalter wieder umlegen und die Weichen wieder auf Erfolg stellen. Das schafft man dadurch, dass man sich der Situation bewusst wird und sein Mindset grundlegend verändert. Warum ich das weiß? – Weil ich es geschafft habe, diesen Schalter wieder umzulegen. Das ist mir mit der Hilfe des Buches „Mindset“ von Dr. Carol S. Dweck gelungen. Kein anderes Buch hat mich auf meinem Weg mehr geprägt als dieses.
Open und fixed Mindset
Die wichtigste Erkenntnis nach Carol Dweck ist, dass es grundsätzlich zwei Typen von Mindset gibt. Das fixed Mindset lässt sich kurz beschreiben, wie das Beispiel eben mit dem Kind. Jemand mit einem fixierten Mindset geht davon aus, dass ihm bereits alle Fähigkeiten in die Wiege gelegt wurden. Jemand mit einem fixierten Mindset tut selten etwas, um die Fähigkeiten zu verbessern. Dadurch wird er aber auch gehässig, wenn andere besser sind als er.
Ein open Mindset auf der anderen Seite bezeichnet eine Einstellung, die darauf ausgelegt ist, immer etwas Neues zu lernen. Leute mit einem offenen Mindset wollen sich stetig verbessern und trainieren hart, um ihre Ziele zu erreichen. Wenn andere Menschen Erfolg haben, werden sie nicht gehässig, sondern sie freuen sich für die anderen und trainieren folglich härter.
In ein fixiertes Mindset wird man durch die Talentannahme hineingedrückt. Es liegt aber an einem selbst, ob man diesen Stempel annimmt oder wieder ablehnt. Wenn euch also jemand sagt, dass ihr ein Naturtalent seid, dann könnt ihr darauf antworten: „Ich habe viel geübt.“ In der Kindererziehung kann man statt dem „Talent-Kompliment“ zum Lob sagen: „Das hast du aber toll gemacht. Wahrscheinlich hast du sehr viel dafür geübt.“
Sobald man sich dieser zwei Typen des Mindsets bewusst geworden ist, kann man bewusst gegensteuern. Für weitere Details empfehle ich euch in jedem Fall das Buch „Mindset“ von Dr. Carol S. Dweck.